Das Werkstattverfahren
Statt im klassischen Wettbewerb entstehen die Entwürfe der Künstler in einem Werkstattverfahren, das die Einbindung der Projekte in den Kontext befördern soll. In einem 2-tägigen Workshop in Lohberg lernten die Künstler den Ort, seine Landschaftsfragmente und deren Bewohner und Nutzer kennen. Diese intensive Auseinandersetzung mit den aktuellen Lebensumständen, Bedingungen und Hintergründen des Raumes, aber auch seiner Geschichte und Zukunftsfähigkeit bildet die Grundlage einer kontextbezogenen Projektentwicklung.
Rundgang in Lohberg
Beim Besuch im Ortsteil Lohberg, der ehemaligen Arbeitersiedlung im Gartenstadtstil, lernten die Künstler im informellen Gespräch mit ehemaligen Arbeitern der Zeche, beim Blick hinter die Kulissen des örtlichen Tattoostudios oder beim Essen mit der türkischen Gemeinde auf dem Frühjahrsbasar die soziokulturellen und individuellen Lebenshintergründe der Anlieger kennen, die die späteren Nutzer des Parks sein sollen. Problematische wie zukunftsweisende Perspektiven traten dabei zutage. Die ambivalente Haltung zur eigenen Geschichte, die von der mitunter harten Arbeit unter Tage und ihrem Verlust geprägt ist, wie auch Lebenshintergründe bestimmt von Migration und Segregation wurden dabei sichtbar. Aber auch die große Solidarität der Kumpel und ein vielschichtiger Heimatbegriff als positive Lebenserfahrungen wurden deutlich.
Die ruhrgebietstypische Fähigkeit, sich auch in widrigen Situationen immer wieder neu zu erfinden und sich mit informellen Strategien städtischen Raum rückzuerobern zeigt sich gerade in der intensiven Nutzung der Gartenstadtstruktur. Was in den Zentren unter dem Titel „Urban Farming“ als ultramodern gefeiert wird, ist hier in jedem Hinterhof schon lange Tradition. Vom Nutz- und Ziergarten bis zur Prachthühnerzucht erobern sich die Bewohner die Grünflächen der Gartenstadt bis in die Baumscheiben hinein zur Nahrungsmittelproduktion und als dörflichen Gemeinschaftsraum. Wo sich in Berlin die Prinzessinnengärten modernen Immobilientaktiken konform von Anfang am auf Umzug einstellen, findet in Lohberg die vehemente Rückaneignung von Raum statt – ganz ohne avantgardistisch- kulturellen Überbau.
Die dörfliche Idylle, die sich in Lohbergs Gartenstadt nahezu pittoresk inszeniert, birgt aber auch Spannungen. Bei der Diskussion am von der türkischen Gemeinde reich gedeckten Mittagstisch zeigte sich: Der mehr gefühlte als reale Überhang der türkischen Gemeinde mit 2 Moscheen und ihrer sich klassisch im öffentlichen Raum organisierenden Gemeinde, läßt sich manch andere Ethnie verdrängt fühlen. Das türkische Gemeindeleben bringt in seiner dörflichen Familienstruktur, die die Straßen im positivsten Sinne belebt und jeden Passanten zu Tee und Teilnahme einlädt, auch Momente der Segregation mit sich. All diese Problematiken bleiben jedoch im Rahmen. Die soziale Struktur des Ortes scheint kompakt und real gelebtes Miteinander.
Problematisch gesehen wird die Wohnungspolitik der Evonik, die versucht, die ehemaligen Arbeiterhäuser zu verkaufen. So werden die sozial schwachen Stadtteile langsam durch bürgerlichere Schichten und Eigentum perforiert. Ob sich dadurch die Segregation positiv entschärft oder soziale Spannungen entstehen, bleibt abzuwarten.
Für die Künstler von Interesse war auch die Perspektivlosigkeit des Ortes im Bezug auf Arbeit und Beschäftigung. Auch wenn günstige Mieten und ansprechende Räumlichkeiten dent Abzug der Bevölkerung gestoppt haben, sind die Arbeitsperspektiven dürftig. Wie kann man hier Perspektiven schaffen, die jenseits herkömmlicher Methoden eben solche Arbeit versprechen, die sich am Ort und nicht an abstrakten Planspielen orientiert?
Auf dem Werksgelände
Die Rundreise über das ehemalige Werksgelände zeigte einen Ort zwischen Geschichte und Zukunft. Wo die Fläche des kommenden Bergparks als leer geräumte Brache aktuell beliebig erscheint, stellten sich die angrenzenden Naturräume als skurrile Renaturierungszonen postindustriell konstruierter Landschaften dar. Ob Schilfbiotop im Schlammbecken, ob idyllischer Kaiserteich in der früheren Klärsenke oder die Haldenberge als Testfeld für internationale Überlebenskünstlerpflanzen – die künstlichen Eingriffe, die der Bergbau hinterlassen hat, erzeugen einen merkwürdigen Raum zwischen Kultur- Natur- und Freizeitlandschaft. Hier stellt sich die Frage, ob man ihr ihre Geschichte läßt oder ihre Überschreibung durch die Natur fördert. Das künstlerische Interesse, diese Bereiche direkt an den Bergpark anzuschließen, war deutlich zu spüren.
Wieviel Erinnerung braucht der Mensch?
Die Monumente der Industriekultur lösen eine ambivalente Diskussion um die Zukunftsfähigkeit des Ortes aus. Auch wenn Infrastrukturen wie Kaue und Zechenturm die Künstler tief beeindrucken, stellt sich doch die Frage, wieviel Platz sie dem Bedürfnis nach Neuanfang lassen. Wo mancher der Ansicht ist, ein radikaler Schnitt schaffe den Platz für eine neue Zukunft, sehen andere die Chance zu einem ausgewogenen Gleichgewicht, einem Diskurs der Dekaden, der sich im Wechselspiel von Geschichte und Zukunft in der Architektur des Ortes verräumlichen kann.
Kreativquartier
Die Profis der internationalen Kunstszene trafen auch auf die lokalen Protagonisten der Kunst. Ob sich an einem Ort weit ab vom professionellen Kunstbetrieb eine Existenz als Künstler oder Kreativer einrichten läßt, bleibt fragwürdig. Es stell sich für das neue Kreativquartier seitens der Künstler die kritische Frage nach der sinnfälligen Verbindung von kreativen Produktionen und Ort. Ist Kreativindustrie etwas, was sich mit der lokalen Arbeiterkultur verknüpfen läßt oder ist sie importiert und bringt Befremdung mit sich? Gibt es lokale, kreative Strategien, die sich vielmehr aus dem Ort ableiten lassen als aus abstrakten Planspielen, die noch heute die Konzepte zu bestimmen scheinen?
Das Konzept Bergpark
In der intensiven Diskussion mit dem Projektmanagement, den Landschaftsarchitekten und den verschiedenen Nutzergruppen formulierten die Künstler ihre ersten Einschätzungen zum Bergpark und den geplanten Umstrukturierungen. Sehr kritisch gesehen wird die - wie sich herausstellt der externen Verkehrsplanung geschuldete -Straßenführung, die den Bergpark zukünftig durchschneidet. Daß durch den Park geschaffene Übergänge wiederum gekappt und Bewegungsmuster unterbrochen werden, scheint jedoch nicht mehr zu ändern. Die angeregte Verlagerung des Spielbereichs in die dem Ort zugewandte Zone des Parks ist sinnfällig.
Daß der Park zunächst als künstlich geschaffener Raum deutlich erkennbar bleiben wird steht fest. Bezweifelt wird, ob er dabei identitätsstiftende Wirkungen entfalten kann. Dagegen wird das Konzept, von ihm aus in die anliegenden Landschaften zu führen und ihn so zum Ausgangspunkt und Nukleus der „Choreografie einer Landschaft“ zu machen, als sinnfällig begriffen.
Gleichzeitig bedeutet die Form der Entwurfswerkstatt, daß möglichst viele Arbeiten in Zukunft realisiert werden sollen. Die Auswahl der Jury bedeutet also nicht das Aus für nicht ausgewählte Arbeiten. Das Verfahren zielt darauf ab, möglichst viele der Projekte in Zukunft zu realisieren und anhand der Entwürfe auch neue, interessierte Förderer, Sponsoren und Auftraggeber zu finden.